Freitag, 25. Februar 2011

2.2. Und das alles ohne Kaffee.

„Sir, der Erste ist aufgewacht. Seine Vitalfunktionen sind erstaunlich. Normalerweise folgt einem künstlichen Koma Angst und Desorientierung, aber er wirkt, als hätte man ihn aus dem Tiefschlaf hochgeholt, nicht mehr. Sie haben die Krankenakten gelesen?“

Am anderen Ende der Leitung nickte der General knapp, ergänzte die Geste dann mit einem „Ja.“

„Die Hautanomalie hat sich nicht weiter ausgebreitet, aber sie scheint zu wandern. Mit unseren Mitteln konnten wir sie nicht erfassen.“

„Warum haben Sie ihn ohne mein Okay aufgeweckt, Doktor?“ Der Gedanke war ihm gerade erst gekommen, und der Ärger in seiner Stimme war ein Donnergrollen.

„Haben wir nicht, Sir. Sein Metabolismus scheint sich gegen die Narkotika durchgesetzt zu haben.“

„Können Sie versuchen, die anderen zu wecken? Ich hätte Reignsbury ungern alleine. Wir wissen nicht, wie stabil er unter diesen Umständen ist.“

„Sind Sie sicher, Sir?“

„Gibt es medizinische Einwände?“

„Nein, aber...“

„Holen Sie die anderen vorsichtig hoch, und lassen sie zusammen aufwachen. Streamen Sie mir die Daten der Überwachungskamera . Ich bin unterwegs.“


Sam dämmerte wieder hoch. Sie hatten ihm etwas in den Tropf gespritzt, an dem er hing, das ihn ausgeschaltet hatte wie ein Hammer auf den Kopf. Er versuchte, sich aufzurichten, erwartete zittrig zu sein, schwach, aber er fühlte sich gut. Ausgehungert, aber gut.

Seine nackten Füße kamen auf dem kühlen, glatten Boden auf. Er versuchte zu rekapitulieren, sich zu erinnern, was geschehen war. Das, was da an Gedanken in ihm hochstieg, war hässlich. Ein Wunder...

Da drüben in den beiden Betten waren vertraute Gestalten, ebenso verkabelt wie er. Liz wirkte deplatziert im Krankenbett, zu stark und stabil, um sich von irgendetwas zerstören zu lassen. Ihr blondes Haar stand wirr vom Kopf ab, war länger, als Sam es je bei ihr gesehen hatte. Ihre Lider zuckten, als würde sie träumen.

Dort drüben lag Goldstein, sauber rasiert und gekämmt, der tragische Held einer Serie aus den Fünfzigern. Jemand schien sich mit ihm die Mühe gegeben zu haben, die er bei Liz gespart hatte. Der Professor hatte den Kopf ein wenig zur Seite gedreht, schien sich wie eine Pflanze zum spärlichen Licht zu wenden, das durch die Vorhänge drang.

Sam atmete durch, zog dann entschlossen die Nadel aus seinem Arm und befreite sich von den Plastikschläuchen in seiner Nase. Ein kurzes Betrachten der Überwachungsgeräte, ehe er auf ein paar Tasten drückte und die Anzeigen verloschen. Er war sich sehr sicher, in der nächsten Zeit nicht zu sterben. Dass er die Kabel behutsam aus den Pads entfernte, statt sie fortzureißen, war berufliche Gewohnheit.

Prüfend trat er auf, selbst verblüfft, dass sein Körper funktionierte. Ein paar zögernde Schritte durch den Raum, um am Fenster zum Stehen zu kommen. Den Vorhang zur Seite ziehen.

Sein Blick glitt über Hochhäuser, dann hinunter auf die feucht glänzende Straße, an deren Rändern sich Bäume mit dem ersten Grün des Frühlings schmückten. Der Himmel hing wie ein ungewaschenes Leintuch über den Dächern und verriet nicht, wie spät es war.

Sam lehnte die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe, meinte kurz, die frische, regenklare Luft dort draußen schmecken zu können.

Sie waren tot.

Die Feststellung hatte in seinem Hinterkopf gelauert, gebrütet, seit jenen unseligen Minuten auf der Freedom, wo das Adrenalin sie fortgespült hatte. Er hatte die Besatzung, seine Freunde, sterben sehen, und war davongekommen. Dass er während des Systemausfalls nicht auf seiner Position gewesen war, war nicht mehr als ein Zufall. Glück. Reines verdammtes Glück.

Sein Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen.

Das empörte Piepsen eines Herzmonitors riss ihn aus seinen Gedanken.

Liz saß aufrecht im Bett, hatte mit einer hastigen Bewegung den Großteil der Kabel von sich gezerrt und versuchte sich zu orientieren, ihren panikgeweiteten Augen nach erfolglos. Ihr Atem ging stoßweise.

„Ist okay, Liz. Ist okay.“ Sam bemühte sich um eine beruhigende Tonlage, aber mehr als ein belegtes Krächzen bekam er nicht heraus.. Ihr Blick flackerte umher, fokussierte sich auf ihn. Die Pupillen waren schwarze Löcher im bleichen Gesicht.

„Liz, wir sind im Krankenhaus. Du hast uns runtergebracht. Wir sind okay.“

Der Atem wurde langsamer, und ein wenig wich die Spannung aus ihrer Gestalt. Schweigend wurden erst der Raum, dann Sam, dann das Bett unter sich und schließlich Goldstein in Augenschein genommen.

„Scheiße.“ sagte sie hingebungsvoll.

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