Mittwoch, 4. Mai 2011

2.5. Besuch

„Alles in Ordnung mit dir?“

Sie zuckte die Schultern, schnappte sich einen der Teller, auf dem ein Sandwich seinen farblosen Belag der Welt offenbarte, und verzog sich wieder auf ihr Bett.

„Ms. Carmichael geht es ausgezeichnet. Sie ist nur überrascht von ihrer neuen Situation, aber ich nehme an, das geht ihnen allen so.“

„Verzeihen Sie...“ Goldstein machte eine kurze Pause, in die die Höflichkeit geboten hätte, dass der Arzt seinen Namen einfügte, was dieser geflissentlich ignorierte, „es scheint einiges an Zeit vergangen zu sein, wenn ich nach Liz' Haarlänge und dem Wetter urteilen darf. Wären Sie so gut, uns zumindest darüber aufzuklären?“

„Herrlich, nicht? Die Tage sind schon recht mild. Sie haben sich einen Tag ohne Sonnenschein ausgesucht, um aufzuwachen.“

„Beantworten Sie die verdammte Frage.“ knurrte Liz. „Wann und wo?“

Der Arzt zögerte kurz, schien seine Optionen durchzugehen, setzte dann wieder ein Lächeln auf. „März. San Francisco.“

Der Professor zog die Brauen hoch. „Erstaunlich. Die Mission startete im Dezember. Wir waren also...“

„Eine ganze Weile weg.“

Die Stimme war neu und steckte in einer Uniform, die Liz reflexartig salutieren ließ.

„Es freut mich, dass es Ihnen so weit gut geht.“ Der General lächelte dünn und unterzog die drei Patienten mit stahlgrauen Augen einer Musterung. Er mochte um die sechzig sein, ein gealterter Mr. Darcy, dessen Herz dem Militär und nicht britischen Damen gehörte. Er baute sich im Raum auf und legte die Hände hinter dem Rücken übereinander, während sein Adjutant auf einen Stuhl kletterte, um einen mitgebrachten Laptop an den Fernseher anzuschließen.

„Sir?“

„Miss Carmichael?“

„Captain Carmichael.“ korrigierte sie automatisch. Er nickte kurz, unverbindlich.

„Was ist denn passiert?“

„Woran erinnern Sie sich denn?“

Kurz zuckten ihre Augen hinüber zu ihren Jungs.

„Technische Probleme. Sabotage. Es muss Sabotage gewesen sein. Wir bekamen eine unautorisierte Datentransmission, die wir nicht zuordnen oder abbrechen konnten, und dann begann das Desaster.“

„Eine Übertragung?“ Leben war in Goldstein gekommen.

„Die Rechner spuckten schlagartig nur noch Müll aus. Sinnlose Codesequenzen. Dann Zahlen, als würde jemand den verdammten Kurs neu berechnen.“

Goldsteins Blick war erst zweifelnd, doch dann legte sich seine Stirn in tiefe Falten. „Interessant.“ murmelte er.

„General...“, ein Blick auf dessen Namensschild, „...Holbrook. Konnten die Reste der Kapsel geborgen werden? Wurde die Blackbox schon ausgewertet?“

„Wir wissen nur, was unsere Geräte aufgezeichnet haben. Nach der Absprengung schaltete sich ein Notsignal ein, mit dem wir Ihren Aufschlagspunkt bestimmen konnten. Carmichael scheint Sie manuell runtergebracht zu haben?“

Diese grunzte zustimmend. „Hab die Rechner abgeschalten. Haben nicht mehr auf Eingaben reagiert. Wir sind im Pazifik runtergekommen?“

„Ein gutes Stück vor der japanischen Küste. Gute Arbeit, Carmichael.“ Sie nickte kurz, bemüht, ihren Stolz nicht vor dem Vorgesetzten zu zeigen.

„Die Reste der Freedom liegen allerdings zu tief, um sie mit den momentanen Mitteln bergen zu können, und sie wissen, wie der Senat ist, wenn es darum geht, Gelder für unpopuläre Projekte locker zu machen.“

Er zog die Mundwinkel hoch und musterte die versteinerten Gesichter. Ehe sie zu Fragen ansetzen konnten, atmete er tief ein und fuhr fort.

„Sie haben einige interessante Änderungen verschlafen.“ Er nickte in Richtung des Adjutanten, der den Kampf gegen die Technik mittlerweile gewonnen hatte. Auf dem Fernseher materialisierte sich eine sepiagetönte Weitwinkelaufnahme des Mount Rushmore, über dem die Icons von mit Daten des letzten Monats versehenen Videos schwebten.

„Einige Aufnahmen von Überwachungskameras, und ein paar Brocken von CNN. Werfen Sie einen Blick darauf.“

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